Die vier Tore und vierzig Stufen im Alevitentum

Nach der alevitischen Lehre wird ein Mensch unvollkommen geboren. Seine Aufgabe ist es zu einem vollkommenen Menschen heranzuwachsen. Dazu ist es Notwendig die vier Tore mit ihren vierzig Stufen zu durchlaufen.

Das erste Tor ist die Scharia (islamisches Gesetz)

  • glauben und bezeugen (Glaubensbekenntnis aussprechen)
  • lernen (Wissenschaft lernen)
  • Gottesdienst verrichten (dazu gehört beten, fasten, milde Gaben geben)
  • ehrliches legales Einkommen haben
  • Ausbeutung (haram) und Ungerechtes vermeiden
  • die Achtung der Männer Frauen gegenüber
  • die Ehe suchen (außereheliche Verhältnisse vermeiden)
  • Fürsorge für andere zeigen
  • reines Essen zu sich nehmen, für gutes Ansehen  sorgen
  • Gutes wollen und tun

Das zweite Tor ist der Tarikat (mystischer Weg)

  • sich dem geistlichen Lehrer (pir) anvertrauen
  • sich dem Lernen hinzugeben
  • auf äußeres Ansehen verzichten
  • eigenes Ego bremsen und dagegen kämpfen (sabir)
  • Achtung haben
  • Ehrfurcht haben
  • auf Gottes Hilfe hoffen
  • sich auf den Weg Gottes begeben
  • Gemeinschaft bezogen sein, Harmonie zeigen
  • Menschen und Natur lieben, schützen und auf weltliche Güter verzichten

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Das dritte Tor ist die Marifet (die Erkenntnis)

  • sich gut benehmen und anständig sein
  • ehrenhaft leben
  • geduldig sein
  • genügsam sein
  • schamhaft sein
  • freigiebig sein
  • sich um Wissen bemühen
  • Ausgewogenheit und Harmonie bewahren
  • gewissenhaft sein; Fähigkeiten, die nicht (nur) durch die Vernunft zu erreichen sind, sondern durch den Seelenblick (can gözü/gönül gözü) entdecken und erreichen
  • Selbsterkenntnis üben

Das vierte Tor Hakikat (die Wahrheit)

  • bescheiden sein, alle Menschen achten und ehren, 72 Glaubensgemeinschaften als gleichberechtigt anerkennen
  • an die Einheit von Allah, Muhammed und Ali glauben
  • Beherrsche dich (Hüte, deine Hand, deine Zunge und deine Lende); nicht lügen, nicht stehlen und nicht gewalttätig werden, keine Untreue in der Ehe
  • Glaube an die Widerspiegelung Gottes (seyr)
  • Gott Vertrauen schenken
  • Austausch und Freude über die Erkenntnis, mit Gott und seiner Gemeinde eins zu sein (Yunus Emre: Ich habe genug an der Spaltung/Trennung gelitten, ich genieße jetzt das Zusammensein. Ikilikten usandim, birlik hanina kandim.)
  • Wachsen in dieser Erkenntnis und dabei der Lösung des Geheimnisses Gottes näher kommen
  • Einklang mit dem Willen Gottes zeigen
  • sich ins Nachsinnen über Gott versenken (auch ein kurzzeitiges Versenken in Gott zählt mehr als 70 Jahre Gebet)
  • das Herz von der Sehnsucht nach Gott erfüllen zu lassen und das Geheimnis Gottes lösen (münacat und müşahede)

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